Vom 21.10.-28.10.2023 war ein lustiger Trupp unterwegs auf den Spuren von Dante, Boccaccio und Petrarca. Frau de Mars, inzwischen sicher ein toskanisches Urgestein, die bemüht ist, die Liebe zur Region allen ins Herz zu pflanzen, empfing uns und lotste uns zielsicher durch das volle Florenz. Gleich am ersten Abend wurden wir in die Realität Italiens hineingeworfen und merkten: Dort ist die Dichtung Dantes lebendig. Ein grandioses Beispiel der Rezitation gab uns Riccardo, der uns mit seiner wunderbaren Stimme mit in die Hölle Dantes nahm und dadurch schon zeigte: Dante ist präsent, damals wie heute. Jede einzelne Zeile seiner Komödie trägt und ein jeder konnte sich etwas vorstellen unter:
„…zum Galgen schuf ich mir mein eigen Haus…“
Wir erschlossen uns das Dante-Viertel, die kleine Welt von damals. Einige setzten sich auf den Stein Dantes, von dem er aus den Bau des Domes beobachtete. Und wir lauschten den Ausführungen von Frau de Mars, die so vertraut ist mit Dantes Welt.
Von San Miniato del Monte genossen wir einen großartigen Blick über die Stadt und die Region – und einen Tag später war dieser Berg das Ziel des großen Friedensmarsches von Muslimen, Juden und Christen, die sorgenvoll auf den Krieg in Israel blicken. Es war eine riesige Kundgebung, ein sehr wichtiges Friedenszeichen an die Kriegsregion.
Es herrschte Pest und Not, als sich junge Menschen zu Boccaccios Zeiten trafen und beschlossen: Wir müssen hier raus. Sie gingen denn auch damals schon beschwerlichen Weg aus aus der Stadt, auf der Suche nach besserer Luft. Wir haben es ihnen nachempfunden. Vom hoch gelegenen Fiesole sind wir herabspaziert (oder gefahren) zur Villa Schifanoia, in deren Garten wir einen Hauch von dem spüren konnten, was Boccaccio in seinem Decamerone beschreibt. Und eine Novelle zeigte uns, wie kreativ Geschichten sein können. Wir haben am gleichen Tag noch das Archiv der EU besucht und erhielten Einblick, was es heißt, Dokumente der EU zu archivieren. Wer entschied damals, wer entscheidet heute, wann ein Text archiviert wird?
Unser Weg führte uns am nächsten Tag mit dem Bus durch den Valdarno nach Arezzo. Die große Überraschung: Sämtliche Wetter-Apps lagen falsch. Wir sahen sogar den Pratomagno, ein Blick, der Petrarca geprägt hat. Wir kamen an Stellen, die ohne Frau de Mars‘ Hilfe wohl niemand für sich entdeckt hätte. Die Balze, die Ponte Buriano… Einige schauen jetzt sicher anders auf die „Mona Lisa“! Wir erfuhren, wie wichtig die Schlacht von Campaldino 1289 war, die den Aufstieg von Florenz besiegelte und neue Städte ermöglichte, z.B. das vom Reißbrett aus geplante Castelfranco, in dem die Macht von Florenz sichtbar wurde. Dem gegenüber wird der große Gegensatz der mittelalterlichen Städte wie z. B. Loro Ciuffenna deutlich. Sicher wird auch die Kirche Pieve di Gropina mit ihren wunderschönen Alabasterfenstern in Erinnerung bleiben.
Der Weg über die Setteponti-Straße führte uns zu Veronica in einem Agriturismo der Fraternità dei Laici, die ihren Sitz in Arezzo hat.
Dort kam dann Boccaccio zu Wort und wir diskutierten, was sein Werk so einzigartig macht und warum er für so viele Dichter späterer Zeiten Vorbild ist. Der Geschmack des geistigen Genusses fand seinen Übergang in dem unvergleichlich guten Geschmack von frisch gepresstem Olivenöl, gepaart mit der Gaumenfreude des toskanischen Weins. Wer den Agriturismo verließ und nicht wusste, was Lebensgenuss ist, der hat etwas falsch gemacht.
Arezzo hat seine Seele noch nicht an den Tourismus verkauft, dafür wirbt die Stadt. Debora zeigte uns Beeindruckendes und sparte nicht mit einem patriotischen Bekenntnis zu ihrem Arezzo. Der Eindruck des Stolzes auf die Stadt und ihre durchaus leidgeprägte Geschichte wurde durch die engagierte Führung seitens des Büros des Bürgermeisters durch das Rathaus noch verstärkt. Man freute sich über unser Kommen und dankte mit großer Gastfreundschaft.
Arezzo, die Stadt, in der Petrarca geboren wurde, beherbergt DAS Haus für Petrarca-Studien: Die Accademia Petrarca. Ihr Bibliothekar Prof. Martini führte uns durch das Haus und erläuterte, was alles bis heute im Zusammenhang mit Petrarca geforscht wird. Petrarca, der dem Humanismus den Kick gab und den wir gerade heute, wo die Welt nach einem neuen Humanismus schreit, so dringend bräuchten.
Der Petrarkismus wird zu einer europäischen Bewegung. Petrarca blieb nicht in der Toskana, mehr als seine beiden anderen Dichterkollegen prägte er die Lyrik der Zeit.
Seine Laura wird zur Muse, und was das bedeutet, diskutierten wir an einem schönen Nachmittag im Salon des Hotels anhand einiger Sonette aus dem “Canzoniere“ .
Spontan und sehr bewegend hat uns Herr Prof. Acker die Leistungen Guido d’Arezzos, dem Begründer der modernen Notenschrift, nahegebracht, über Florenz als Geburtsstätte der Oper gesprochen und uns ermöglicht, Monteverdis Interpretation einer Canzone Petrarcas zu hören.
Zur Toskana gehört das gute Essen, das hatten wir zu Genüge. Und auch die südliche Sonne war uns hold bis auf den Empfang bei der Anreise und an einem Tag in Florenz. Es hätte wahrlich schlimmer kommen können!